Wir leben nicht einfach in Umgebungen, wir bewohnen vielmehr Landschaften und Gehäuse, deren Zusammenhang und Strukturen sich uns in getönten Sphären erschließen: natürliche Geotope wie Höhlen, Berge, Flüsse, Seen, Meere, aber auch künstliche Bauten, sprechen zu uns und mit uns im Spiel von Licht und Schatten, Formenvielfalt, Erschließung durch Ein- und Ausgänge sowie Anlage der Wege, räumliche Gestaltung mit Gewichtung von oben und unten, vorne und hinten, links und rechts.
In unseren Umwelten finden wir Sinnzeichen, die es uns erlauben, raumzeitliche Gestaltungen auf uns bezogen zu deuten. Dabei erleben wir immer wieder auch ein Gefühl der Einbettung in einen fundamentalen Zusammenhang der Dinge und Lebewesen - ein Platz, ein Bau, eine Landschaft drücken eine tiefere Sinndimension aus.
In der Modellierung der Strukturen und Prozesse der Welt auf den Lebensraum, der aus bestimmten Landschaften, Orten und Behausungen besteht, zeigt sich eine spezifische Form der menschlichen Existenz. Konzepte des Weltgehäuses werden in Behausungen, Kultbauten, Siedlungen, Territorien, der künstlichen Gestaltung der Landschaft und der Gartenkunst erfahrbar umgesetzt. Diese Strukturen boten den Menschen eine häusliche Sphäre innerhalb der wilden Natur und sorgten für Stabilität, Zentriertheit, Sinn, Sicherheit, Vertrautheit, Kontrollwissen, soziale und machtbezogene Zuordnungen.
Die Kosmologien und Kosmogonien früher Kulturen und indigener Völker befassen sich häufig mit der Vorstellung vom Weltgehäuse in Miniaturform, in dem sich der Mikrokosmos und Makrokosmos wechselseitig dynamisch-lebendig abbilden und widerspiegeln. Dieses „Templum“ ermöglicht ein integratives Welt- und Selbstverstehen über Symbole, Mythen, Riten und Logiken durch Erleben, Anschauung, Nachdenken und Handeln.
Der Vortrag gibt in einem ersten Teil zunächst einen Überblick wichtiger Elemente und Prinzipien kosmischer Bauten weltweit, von den ältesten Zeiten bis zu heutigen indigenen Kulturen. Auf dieser Basis beschäftigt sich der zweite Teil mit Goethes Weltmodell, in dem der Mensch im Bau der Natur als einem lebendigen Ganzen, dieses erlebend und erkennend, eingebunden ist und der Baukunst, (Bau der Natur und Bau an sich selbst).
Der Vortrag ermöglicht über alte kosmologische Vorstellungen neue Blicke auf Goethes Weltmodell und manche dauernd-existentielle Fragen.
„Mehr Licht!“ – die berühmten letzten Worte Goethes spiegeln sein lebenslanges Streben nach Erkenntnis wider. Doch welches Licht suchte Goethe tatsächlich?
Der Vortrag beleuchtet die faszinierende Verbindung zwischen Goethes naturwissenschaftlichen Forschungen, seinen literarischen Werken und seiner philosophisch-spirituellen Entwicklung, insbesondere im Kontext seiner Mitgliedschaft bei den Freimaurern.
Johann Wolfgang von Goethe war nicht nur Dichter und Denker, sondern ein tiefgründiger Forscher, der die Grenzen zwischen Wissenschaft, Philosophie und Spiritualität bewusst überschritt.
Seine Farbenlehre war dabei nicht allein eine naturwissenschaftliche Untersuchung, sondern zugleich Ausdruck seiner Überzeugung, dass die sichtbare Welt ein Schlüssel zur unsichtbaren darstellt. In seinen Studien zur Optik beschäftigte sich Goethe mit Licht und Dunkelheit nicht nur physikalisch, sondern nutzte diese Begriffe auch symbolisch als Metaphern für menschliche Erkenntnisprozesse.
Der Vortrag zeigt Goethe als Suchenden, der durch seine wissenschaftliche Arbeit und spirituelle Suche nach dem Licht im Dunklen eine einzigartige Synthese geschaffen hat. Die Veranstaltung bietet neue Perspektiven und überraschende Einsichten in das Leben und Werk eines der bedeutendsten Lichtsucher der Geistesgeschichte.
Die Freimaurerei wird oft als geheimnisvoll empfunden – doch was verbirgt sich tatsächlich hinter ihren Symbolen? Der Symbolforscher Axel Voss eröffnet einen spannenden Zugang zur Welt der Freimaurerei und zeigt, wie Symbole als Schlüssel zu tieferer Erkenntnis dienen können, um Weisheit und Selbstvervollkommnung zu fördern.
Freimaurerische Symbolik ist weit mehr als dekorative Tradition; sie eröffnet einen Weg zur Auseinandersetzung mit grundlegenden philosophischen und spirituellen Fragen. Symbole wie Winkelmaß, Zirkel und Rauher Stein dienen dabei nicht nur der Selbstreflexion, sondern erschließen zugleich philosophische Einsichten und universelle Lebensprinzipien. Bereits Johann Wolfgang von Goethe nutzte in seinen Werken und Forschungen symbolische Bilder und Metaphern, die stark durch seine Erfahrungen als Freimaurer geprägt waren. So offenbaren sich in der scheinbar geheimnisvollen Symbolik der Logen tiefgründige Erkenntnisse über Mensch und Welt.
Der Vortrag beleuchtet zudem, wie Goethe in seinem Denken und Schaffen diese Symbolik einsetzte und interpretierte, und zeigt, wie die freimaurerische Symbolsprache eine universelle Kommunikationsebene schafft, die jenseits kultureller und sprachlicher Grenzen existiert. Er bietet Einblicke in eine faszinierende Welt, in der Symbole zu Wegweisern einer geistigen Reise werden.
Mit seinem Eintritt in Weimar im Jahre 1775 und seiner Einstellung als Staatsminister türmen sich in Goethes Leben Rätsel auf. Er soll nur oberflächliche Beziehungen zu Frauen unterhalten haben. Seine Liebeslyrik gilt als kommandierte Poesie eines Verwerters von Gefühlen, seine Geliebten sollen ihm lediglich als emotionaler Rohstoff gedient haben. Doch seine Liebeslyrik zeugt von tiefster Liebesempfindung für »eine Einzige«.
In dieser Doppelbiographie löst der Rechtshistoriker Ettore Ghibellino erstmals diese Widersprüche auf. Archimedischer Punkt ist die Annahme eines Staatsgeheimnisses: Goethe und Herzogin Anna Amalia waren ein Liebespaar, aufgrund der unverrückbaren Standesschranken wurde es verborgen. Die Verbindung zwischen einer Fürstin und einem Bürgerlichen war verboten: Pflicht- und Zwangsehen innerhalb des eigenen Standes bestimmten die Heiratspolitik in der Monarchie, ohne jede Rücksicht auf Liebe und Gefühle.
Die Tatsachengrundlagen werden von Ghibellino umfassend unter Aussortierung von Legenden und Glaubenswahrheiten evaluiert. Ein neues, unvoreingenommenes Bild von Goethe und Anna Amalia kommt zum Vorschein. Bereits 1846 erkannte ein Goethebiograph Anna Amalia als Goethes Geliebte. Doch das Fürstenhaus in Weimar hielt am Staatsgeheimnis fest und leitete 1848 einen folgenreichen Sündenfall an der Kunst ein: Goethes angeblichen Briefe an »Charlotte von Stein« wurden veröffentlicht. Keiner verstand dieses Verhältnis, eine kritische Untersuchung fand jedoch aus ideologischen Gründen nicht statt. Der Zugriff zu Goethes Nachlass wurde erst 53 Jahre nach seinem Tod möglich, wichtige Dokumente verschwanden in der fürstlichen Privatbibliothek: ideale Bedingungen für eine kulturpolitische Intrige von großer Tragweite.
Erstmals konnten sechs Zeitgenossen Goethes aufgespürt werden, die auf Charlotte von Stein als Medium einer Inszenierung hinweisen. Hinzu kommen Dutzende weiterer Zeitgenossen, die mittelbar auf das Staatsgeheimnis hinweisen. Auf dieser Grundlage gelingt es, die »stumme Sprache« der Kunst zu entschlüsseln, derer sich Anna Amalia und Goethe bedienen, um ihr Schicksal mitzuteilen. Gemälde und Skulpturen werden in einen biographischen Kontext gesetzt, die Liebeslyrik, ›Torquato Tasso‹ und ›Wilhelm Meister‹ neu gedeutet. Hinter dem Staatsgeheimnis tritt eine der bedeutendsten Liebesgeschichten Europas hervor. Anna Amalia ist das »Doppelt« aus ›Ginkgo Biloba‹, die herausragende Frau hinter dem größten Dichter in deutscher Sprache:
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich eins und doppelt bin?
Im ersten Teil seiner Doppelbiografie ›Goethe und Anna Amalia – Eine verbotene Liebe‹ deckt Ettore Ghibellino ein Staatsgeheimnis auf: Goethe und Anna Amalia waren das geheime Liebespaar par excellence einer ganzen Epoche – er, ein Jurist aus dem Bürgertum, sie, eine Herzogin mit einem Stammbaum bis zum Ursprung der Welfen sowie Nichte Königs Friedrich II. von Preußen. Anna Amalia war 17 Jahre lang Regentin des Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach für ihren unmündigen Sohn gewesen, als Goethe 1775 nach Weimar kam und sogleich de facto den Rang eines ›stellvertretenden Herzogs‹ einnahm. Die Liebe zu Anna Amalia ermöglichte es Goethe, sich vom talentierten Stürmer und Dränger hin zu dem größten Dichter in deutscher Sprache zu entwickeln. Ein weiteres Meisterwerk der Verherrlichung Anna Amalias wird hier enthüllt: das Römische Haus im Park an der Ilm in Weimar.
Ghibellino untersucht die astronomische Verankerung von Bauwerken in der Antike sowie deren virtuose Aktualisierung im Römischen Haus. Klassische Baumeister orientierten Bauwerke nach dem Kosmos. Die jährliche Wiederkehr der berechneten Lichtprojektion am Bauwerk wurde als hohe Feierlichkeit zelebriert, etwa im Pantheon am 21. April, dem Gründungsdatum der Stadt Rom, wenn Sonnenstrahlen das Eingangsportal bescheinen.
Das Römische Haus ist an Goethes Geburtstag astronomisch verankert: Die Sonne steigt bei Aufgang am 28. August dem Anschein nach aus dem Schornsteinkopf auf. In der Cella wird im Frühling und im Sommer eine Lichtsymphonie vor dem Gemälde ›Anna Amalia in Rom‹ aufgeführt: Ein durch Spiegel potenzierter Kronleuchter orchestriert Brechungen der Sonnenstrahlen als funkenstobender Lichtreigen. Der untere Durchgang stellt eine monumentale Sonnenuhr mit ganzjährigen Lichtprojektionen an die Westwand dar. Dahinter befindet sich Anna Amalias und Goethes Grabkammer.
Goethes ›Faust‹ wird mit dem in den ersten zwei Worten der Tragödie genannten Schlüssel geöffnet: »Die Sonne«. Die Auszeichnung, im ›Faust‹ als realer Ort zu erscheinen, teilt sich Auerbachs Keller in Leipzig mit dem Römischen Haus als Originalspielstätte von ›Faust II‹.
Bem Römischen Haus handelt es sich um die erste nachgewiesene astronomische Verankerung eines Bauwerkes am Beginn der Moderne.